Zeitarbeit in der Pflege - ein Ausnahmezustand?

27.09.2022, 11:49 Uhr in Service, Anzeige
Pflegeberuf - pexels.com
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Die Arbeitnehmerüberlassung, wie die Zeitarbeit im offiziellen Sprachgebrauch heißt, hat keinen guten Ruf. Eine Ausnahme stellen die Pflegekräfte dar. Mit rund 12.000 Pflegern in der Altenpflege und 22.000 Pflegern in der Krankenpflege stellen Pfleger bei einer Gesamtzahl von rund 1,2 Millionen Pflegekräften in Deutschland zwar die absolute Minderheit dar.

Der Anteil der beliehenen Pfleger steigt seit Jahren allerdings kontinuierlich an. Wir klären, woran das liegt, was die Vor- und Nachteile des Berufs in der Zeitarbeit sind und geben einen Ausblick über die weitere Entwicklung.

Warum gehen immer mehr Pfleger in die Zeitarbeit?

Dass Pfleger in der Zeitarbeit im Durchschnitt mit höheren Bezügen rechnen können, ist im Branchenvergleich eine Ausnahme, denn in allen anderen Berufszweigen verdienen Pflegekräfte weniger als Festangestellte. Ein Grund dafür ist, dass Pfleger in einer alternden Gesellschaft händeringend gesucht werden.

Dies gilt besonders angesichts des hohen Verschleißes in den schlimmsten Monaten der Corona-Pandemie. Auf diese Weise gelingt es Personaldienstleistern oft, im Pflegebereich übertarifliche Löhne für ihre Zeitarbeiter auszuhandeln.

Informieren Sie sich zu diesem Thema auch hier: https://www.zeitarbeit-heute.de/ratgeber/pflege-zeitarbeit/.

Oft zahlen Leiharbeitsfirmen ihren beliehenen Pflegekräften für die Vermittlung einen Aufschlag, durch den der Stundenlohn im günstigsten Fall von 35 Euro auf 50 Euro steigen kann. Ein anderer Grund ist, dass der Pflegeberuf keine Vergütungen kennt, was ebenfalls den Pflegern zugutekommt, weil es in der Branche der Arbeitnehmerüberlassung üblich ist, dass Leiharbeitsfirmen die Provisionen kassieren, welche die Leiharbeiter für bestimmte Leistungen verdient haben.

Verlässliche Arbeitszeiten

Hinzu kommt, dass beliehene Pflegekräfte durch ihren Fremdvertrag einen gewissen Schutz davor genießen, im Falle von Engpässen, für krankheitsbedingt fehlende Kollegen einzuspringen. So müssen Pfleger in Zeitarbeit weniger Schichten am Wochenende, in der Nacht und an Feiertagen leisten und sie müssen auch weniger Überstunden machen.

Wie spürbar dieser Effekt ist, zeigt eine Umfrage der Pflegekammer Niedersachsen, bei der Pfleger, die in die Zeitarbeit gewechselt sind, zu ihren Gründen für die Umstellung befragt wurden. Nach der höheren Vergütung (54,5 %) wurden die Gründe der selbstbestimmten und flexiblen Arbeitszeit (50,9 %) und das Vermeiden von permanentem Einspringen (46,8 %) an zweiter und dritter Stelle genannt. In vielen Fällen korrespondiert der höhere Lohn sogar mit einer geringeren Anzahl an Arbeitsstunden.

Was spricht gegen die Zeitarbeit?

Ein wichtiger Aspekt für einen erfüllten Beruf ist die Mitarbeiterzufriedenheit. In dieser Hinsicht können Leiharbeiter im Nachteil sein, da sie durch ihren ständigen Wechsel und ihren anderen Status weniger eng in die betrieblichen Abläufe eingebunden sind. Meistens müssen sie Lücken stopfen und führen eher Routinearbeiten aus.

Das Streikrecht ist erschwert, da die zuständige Gewerkschaft für Zeitarbeiter in der Zeitarbeitsfirma sein muss, obwohl Zeitarbeitsfirmen selten über eine interne Gewerkschaft verfügen. Tätigkeiten mit einem größeren Verantwortungsbereich bleiben eher den Stammkräften überlassen und Chancen, in der betriebsinternen Hierarchie aufzusteigen, sind nahezu ausgeschlossen. Insgesamt haben Zeitarbeiter ein weniger enges Verhältnis zu ihren Kollegen und mit Blick auf die spezifischen Bedingungen in der Pflegebranche können sich in der Beziehung zum übrigen Team Neid und Missgunst breitmachen.

Wie reagiert die Politik?

Die Politik sieht den Run auf die Zeitarbeit in der Pflegebranche kritisch. Seit 2017 ist eine Erörterung im Bundesrat geplant, die am 27. März 2020 auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Erklärte Ziele der Initiative waren der Erhalt der Pflegekräfte in der Branche und die Wiedergewinnung bereits abgewanderter Pflegekräfte. Um diese Ziele zu erreichen, sollten die Ursachen für die Abwanderung der Pfleger in die Zeitarbeit beseitigt und die Arbeitsbedingungen für festangestellte Pflegekräfte nachhaltig verbessert werden. Der Ausbruch der Corona-Pandemie kam dazwischen und die Initiative liegt derzeit auf Eis.

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